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Weiterhin nur Scheindebatte um den gesetzlichen Mindestlohn …

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Hamburg Rathaus - cc-by-nc-nd von Matt ThorpeDer SPD-Senat in Hamburg will den Mindestlohn einführen. Bei genauerer Betrachtung handelt es sich aber nur um einen Branchenmindestlohn, denn nur Beschäftigte der Stadt sollen in den Genuss kommen. Doch was sind Beschäftigte der Stadt? Arbeitet nicht der Briefträger, der die Post ins Rathaus bringt auch für die Stadt? Sorgt der Steuerzahler und damit nicht alle Hamburger dafür, dass die Stadt funktioniert und ist damit Teil von Hamburg? Verstößt es nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz bestimmte Branchen zu bevorzugen und alle Anderen weiter auszubeuten?

Fragen die sich der Senat zwar auch gestellt hat aber verwirft. Schließlich wäre ein verbindlicher Mindestlohn für alle Bundesrecht und könnte nicht in Hamburg beschlossen werden.

Ein verbindlicher Mindestlohn für alle wird von der FDP blockiert.

Die FDP regiert uns also bewusst in den Niedriglohnsektor und damit in die Armut und findet das gut. Schließlich bekommen Ärzte und Anwälte und damit FDP-Wähler schon seit Jahren vorgeschriebene Sätze und damit einen Branchenmindestlohn.

Die Gewerkschaften loben sich ebenfalls dafür, dass sie Branchenmindestlöhne eingeführt haben.

Da fragt man sich doch, ob denn überhaupt jemand die gesetzlichen Grundlagen gelesen hat und warum der Bevölkerung der ihr zustehende Mindestlohn verweigert wird?

In der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 heißt es:

Artikel 23(3)
Jeder, der arbeitet, hat das Recht auf gerechte und befriedigende Entlohnung, die ihm und seiner Familie eine der menschlichen Würde entsprechende Existenz sichert, gegebenenfalls ergänzt durch andere soziale Schutzmaßnahmen.

Die Bundesregierung ist über die UN-Charte und das Grundgesetz Artikel 1(2) auf die Menschenrechte verpflichtet.

Juristen können sich darüber hinausreden, dass die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte nicht völkerrechtlich verbindlich ist und damit eher als Richtlinie zu interpretieren ist. Dies ist zwar moralisch sehr fragwürdig aber seit wann ging es jemals in der Politik um Moral?

Schauen wir also in den UN-Sozialpakt, den Deutschland 1973 ratifiziert hat und der eine gültige Bundesgesetzblattnummer hat. Dort heißt es:

Artikel 7
Die Vertragsstaaten erkennen das Recht eines jeden auf gerechte und günstige
Arbeitsbedingungen an, durch die insbesondere gewährleistet wird
a) ein Arbeitsentgelt, das allen Arbeitnehmern mindestens sichert
i) angemessenen Lohn und gleiches Entgelt für gleichwertige Arbeit ohne Unterschied;
insbesondere wird gewährleistet, dass Frauen keine ungünstigeren Arbeitsbedingungen als
Männer haben und dass sie für gleiche Arbeit gleiches Entgelt erhalten,
ii) einen angemessenen Lebensunterhalt für sie und ihre Familien in Übereinstimmung mit diesem Pakt;

Den UN-Sozial-Pakt Artikel 7 haben sich die Gewerkschaften sogar halb durchgelesen und haben in den Siebzigern in der Textilbranche gegen die Ungleichheit geklagt. Dort wurde Frauen für die gleiche Arbeit weniger gezahlt. Dies führte dazu, dass Frauen in neue Berufsbezeichnungen der sogenannten leichten Tätigkeiten überführt wurden und immer noch geringer entlohnt wurden. Später wanderte die Textilbranche Richtung Osten ab. Noch heute verdienen Frauen in Deutschland ca. 20% weniger für die gleiche Arbeit als ihre männlichen Kollegen.

Doch was noch viel wichtiger ist, der UN-Sozialpakt schreibt verbindlich vor, dass man vom Gehalt sich und seiner Familie einen angemessen Lebensunterhalt gewährleisten muss. Doch in der Hamburger Innenstadt können siech die gering Beschäftigten schon lange nicht mehr die Mieten leisten und müssen lange Fahrtzeiten zur Arbeit hinnehmen. Oft müssen ihre Gehälter sogar vom Staat noch aufgestockt werden, damit es überhaupt zum Leben reicht.

Die Europäische Sozialcharta sichert den Arbeitnehmern ebenfalls ein angemessenes Gehalt zu:

Artikel 4

Um die wirksame Ausübung des Rechtes auf ein gerechtes Arbeitsentgelt zu gewährleisten, verpflichten sich die Vertragsparteien:

1. das Recht der Arbeitnehmer auf ein Arbeitsentgelt anzuerkennen, welches ausreicht, um ihnen und ihren Familien einen angemessenen Lebensstandard zu sichern;

Da sprechen also zwei in Deutschland gültige Gesetze davon, dass das Gehalt ausreichen muss, um sich selbst und seine Familie angemessen zu versorgen und das nicht erst seit gestern.

Trotzdem ist aber niemand von den im Bundestag vertretenen Parteien oder den Gewerkschaften jemals auf die Idee gekommen, den Arbeitnehmern ihr unmittelbares und unveräußerliches Menschenrecht auf den Mindestlohn zu erstreiten?

Die Europäische Sozialcharta enthält noch mehr Überraschungen für die Politik:

Artikel 1

Um die wirksame Ausübung des Rechtes auf Arbeit zu gewährleisten, verpflichten sich die Vertragsparteien:

1. zwecks Verwirklichung der Vollbeschäftigung die Erreichung und Aufrechterhaltung eines möglichst hohen und stabilen Beschäftigungsstandes zu einer ihrer wichtigsten Zielsetzungen und Aufgaben zu machen;

Artikel 2

Um die wirksame Ausübung des Rechtes auf gerechte Arbeitsbedingungen zu gewährleisten, verpflichten sich die Vertragsparteien:

1. für eine angemessene tägliche und wöchentliche Arbeitszeit zu sorgen und die Arbeitswoche fortschreitend zu verkürzen, soweit die Produktivitätssteigerung und andere mitwirkende Faktoren dies gestatten;

Wir haben also ein Recht auf Vollbeschäftigung und eine Verkürzung der Arbeitszeit falls dies nicht gewährleistet sein sollte. Statt dessen wird aber mutmaßlich illegal Arbeitslosigkeit von unserer Regierung finanziert.

Bei der Europäische Sozialcharta kann sich kein Jurist herausreden, denn sie wird im EU-Vertrag verbindlich festgeschrieben:

Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union
Artikel 151

Die Union und die Mitgliedstaaten verfolgen eingedenk der sozialen Grundrechte, wie sie in der am 18. Oktober 1961 in Turin unterzeichneten Europäischen Sozialcharta und in der Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer von 1989 festgelegt sind, folgende Ziele: die Förderung der Beschäftigung, die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen, um dadurch auf dem Wege des Fortschritts ihre Angleichung zu ermöglichen, einen angemessenen sozialen Schutz, den sozialen Dialog, die Entwicklung des Arbeitskräftepotenzials im Hinblick auf ein dauerhaft hohes Beschäftigungsniveau und die Bekämpfung von Ausgrenzungen.

Leider scheint sich niemand die Europäischen Sozialcharta durchzulesen, denn selbst hochintelligente gelehrte Menschen rufen lieber zu sinnlosen Appeln auf, anstatt die Rechte einzuklagen.

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